Landluft statt Großstadtknast - Animal A.C.T.

Landluft statt Großstadtknast - Animal A.C.T.

Moni ist aufgeregt. Fremde auf ihrer Koppel. Das muss das verspielte Mädchen gleich mal aus der Nähe beschnuppern. Und schon traben 600 Kilo Lebendgewicht fröhlich auf uns zu. Die Kladde vom Schreiberling ist langweilig, aber das klackende Teil, das der Fotograf in der Hand hält, das will sie sich näher betrachten. Dummerweise ist Elli damit gar nicht einverstanden. Klackende Kameras gehören nicht in Ellis Revier, da ist die Leitstute streng. Mit einem gewaltigen Satz dreht sie sich von uns weg und lässt den gefrorenen Boden aufspritzen.

Lisa Brendel lächelt. Sie kennt ihre Pferde, weiß, wer welche Rolle in der Herde einnimmt. „Die Hierarchien sind klar, die Stute führt von vorne durch Vorbild. Gäbe es einen Hengst, würde er das mit Druck und Autorität von hinten unterstützen.“ Moni allerdings, Moni fällt ein bisschen aus der Rolle. „Sie ist wirklich ein bisschen naiv oder sagen wir besonders neugierig, die läuft oft ein Stück abseits der Herde.“ Lisa Brendel bietet in Kleindehsa, einem schmucken Ortsteil von Lawalde, Führungs- und Kommunikationstraining mit Pferden an. Ein Coach in ländlicher Umgebung? Die Frage hört Frau Brendel oft. Die Freunde aus den Studienjahren in Chemnitz und Leipzig hatten den Kopf geschüttelt, als sie ankündigte, zurück zu ziehen zu den Eltern, zu den Wurzeln.

Hier, auf dem Reiterhof ihrer Freundin Sandra Nikolaus, der im Wikipediaeintrag als eine der vier Sehenswürdigkeiten des Dorfes aufgezählt wird, stehen die Pferde, mit denen sie arbeitet. Und ein Auto, auf das sie zeigt. „Kleindehsa hat eine Anbindung an das internationale Straßennetz. Von hier aus kann man in die ganze Welt reisen.“ Das hat Lisa Brendel schon hinter sich, das Reisen. Nach dem Abitur hat sie ein duales Studium zur Bewährungshelferin begonnen. In der Justizvollzugsanstalt Stuttgart. Und schnell gemerkt, dass sie sich bei den Tätern auf der falschen Seite fühlte.

Also wechselt sie, zieht zum Studium der Pädagogik mit dem Schwerpunkt Psychologie nach Chemnitz. Und finanziert ihren Lebensunterhalt mit Reitstunden. Als im städtischen Klinikum eine Leitung für die Reittherapie gesucht wird, macht sie den Job und zusätzlich noch eine Ausbildung als „Fachkraft für tiergestützte Therapie“. Aus den Erfahrungen beginnt die junge Frau immer besser zu verstehen, dass alles, was den Therapierten gut tut, auch „Nichtpatienten“ nutzen kann. Und bietet ihre Leistungen Firmen an.

Ein Umweg über Riesa, wo sie eine Beritthalle mit 20 Pferden führt, vertieft ihr Verständnis über das Wesen der sensiblen Tiere. „Die spiegeln Dich und Dein Verhalten ganz deutlich. Sie reagieren auf alles, was Du ausstrahlst.“ Wie aber funktioniert denn jetzt so ein Kommunikationstraining? Und wer bucht das? „Firmen unterschiedlichster Größe, die merken, dass es im Miteinander knirscht. Vom Chef zu den Mitarbeitern, bei den Kollegen untereinander, zwischen den Abteilungen. Und Privatpersonen, die ein Einzel-Coaching wollen. Um ihre Wirkung auf andere zu überprüfen und einen ehrlichen Blick auf sich selbst zu bekommen.“ „Pferde“, sagt Frau Brendel, „kann man nicht anlügen. Ich hatte hier mal einen enorm starken Chef in der Reithalle. Der hat ohne etwas zu sagen oder zu tun dermaßen autoritär gewirkt, dass mein Figaro instinktiv flüchten wollte und im Kreis galoppiert ist. Wie muss es da den Untergebenen des Mannes ergehen?“

Kein Teilnehmer eines Seminars wird gezwungen, direkten Kontakt zu den beeindruckenden Tieren aufzunehmen. „Und am Ende macht es doch jeder freiwillig. Da siegt die Neugierde.“ Von Ingenieuren bis zu Physiotherapeuten hat sie schon die unterschiedlichsten Berufszweige in Kleindehsa geschult. Und ihnen gezeigt, dass Stolz und Macht in der Pferdeherde genauso vorkommen wie in der Menschengruppe. Dass es erstaunlich gute Zusammenarbeit gibt und überraschende Führungswechsel.  „Die Erkenntnisse auf die Situation im Unternehmen zu übertragen gelingt meist ganz schnell. Und hinterlässt tiefen Eindruck.“

Animal A.C.T. im Internet: www.animalact.de

Text: Axel Krüger

Fotos: Paul Glaser