Der Fotograf kommt nicht ran. An die Klingel. Also muss er raus aus dem warmen Auto, raus in’s gerade aufgekommene Schneetreiben, um die Klingel am Thermotec-Werkstor zu drücken. Sebastian Heidrich lacht herzlich, als wir ihm wenige Minuten später davon berichten. „Das sind notwendige Sparmaßen in einer Firma, die die Welt erobern will. Wir haben nur eine Klingel für die LKW-Fahrer. Die sind für uns wichtig. Und die sitzen halt höher.“ Man merkt es dem 36jährigen Vorstand der Thermotec AG nicht an, dass er gerade vom G20-Gipfel in China zurückkommt. Genauer von der Tagung der G20-YEA, abgeleitet von young entrepreneur alliance. „Eine Verbindung junger Unternehmer aus zahlreichen Ländern“, erklärt Heidrich „die jährlich zusammentritt, um die Bedürfnisse der wirtschaftlichen Nachwuchsgeneration zu formulieren und den Staatschef der Welt zu überreichen. Da könnte man leicht hochnäsig nach Hause kommen. Oder einfach nur genauso selbstbewusst wie vorher.
Wertvolle Kontakte habe er mitgebracht. Die wird er brauchen, wenn er mit seinen Elektroheizungen den chinesischen Markt aufrollen will. Und das will er. „Bis die Chinesen uns kopieren. Dann müssen wir die Strategie neu ausrichten.“ So spricht keiner, der allzu viel Angst hat vor der Zukunft. „Unser Produkt trifft gerade den Zahn der Zeit und ist, weil es so einfach ist, perfekt online vermarktungsfähig. Für einen weltweiten Vertrieb ohne teures Händlernetz unabdingbar. Plug and play nennt sich das, an die Steckdose stöpseln und los geht es. Ohne umständlichen Aufbau, besonderes technisches Verständnis oder einen Vor-Ort-Support. 10.000 Heizungen hat Heidrich in Arnsdorf bei Görlitz bisher pro Jahr bauen lassen, auf 50.000 Stück lässt er die Produktion gerade anpassen. Und er denkt noch weiter. „Die Speichermedien werden immer besser. Aktuell haben wir in vielen Ländern eine Stromüberproduktion, alle suchen nach Abnehmern. Die beiden Tatsachen zusammen verlangen nach einer neuen Heizungsgeneration. Die werden wir hier entwickeln.“
Um seine Ideen umsetzen zu können, braucht er leidenschaftliche Mitarbeiter, „streng konservativ ausgebildet und total modern denkend“. „Gibt’s das überhaupt“ fragt sich der zweifache Vater selbst und kommt in’s Lachen. „Wir müssen gleichzeitig bessere aber auch einfachere Produkte machen. Mein Handy hat 800 Funktionen, die ich nicht nutze und nicht verstehe. Unsere Heizung soll anders sein.“ Anders ist bei Thermotec einiges. Der Boxsack zum Beispiel, der vor einer Weltkarte im Flur hängt. „Bei den hippen Werbeagenturen stehen Kicker zum Ausgleich. Wir brauchen da schon was Handfesteres.“ Nur wenn er eines Morgens mal ein Bild von sich auf dem Boxsack sehen würde, dann müsse er nachdenken, was schiefgelaufen ist, sagt Heidrich. Irgendwie anders als die üblichen Aufenthaltsräume ist auch die coole Lounge, die allen Mitarbeitern in den Pausen Verfügung steht. Sebastian Heidrich hat sie hinter den Werkshallen auf einem idyllischen Badeteich anlegen lassen. Und hält dort bei gutem Wetter neuerdings auch die wöchentlichen Meetings ab.
Der Chef ist gerade dabei, loszulassen. Früher habe er alles wissen wollen, viel kontrolliert und hätte am liebsten alles, womit er nicht 100%ig zufrieden war, selbst gemacht. Jetzt hat er sich sogar räumlich vom Betrieb entfernt, ist aus privaten Gründen nach Leipzig gezogen, kommt nicht mehr jeden Tag in die Firma. Und traut seinen Leuten viel mehr zu. „Das zahlt sich aus, die hängen sich unwahrscheinlich rein und wollen beweisen, dass es geht.“ Um den Weg weiter zu gehen, brauche er Mitarbeiter, die neben allen theoretischen Kenntnissen „wissen, wie Stahl riecht“ und die sich selbst organisieren können. Damit er sich noch mehr um die Strategie für die Zukunft kümmern kann. Denn an die glaubt er fest.
Text: Axel Krüger
Fotos: Paul Glaser (3), privat